„Talentierte Gitarristen sind faul, ruhen sich auf ihrem Talent aus, wollen nicht hart arbeiten,
gehen daher selten in den Unterricht, werden älter aber nicht besser, wirken plötzlich nicht
mehr so talentiert, wollen immer noch nicht hart arbeiten… und hängen dann die Gitarre an
den Nagel!“
Was ich da im Zeitraffer und etwas überspitzt darstelle, habe ich leider schon oft miterlebt. Und zwar
nicht nur bei Gitarristen, sondern genau so oft auch bei Sängern. Das Phänomen existiert im Sport
ebenso wie in der Musik, überall, immer wieder. Talent kann (leider) verhindern, dass ein guter
Gitarrist ein hervorragender Gitarrist wird!
Woher kommt es, dass jemand das eigene Talent solange nicht pflegt, bis es schliesslich wertlos
geworden ist?
Wenn jemand talentiert ist, bedeutet das nach meinem Verständnis (durch Beobachtung und Erfahrung
aus dem Unterricht mit meinen Schülern), dass er oder sie mit wenig Aufwand viel erreicht. Ich
kenne selber etliche Leute, die in diese Kategorie der „Talentierten“ fallen, aber leider haben nicht alle
etwas aus ihrem Talent gemacht.
Ein Talent kann sich in verschiedenen Bereichen oder Fähigkeiten zeigen. Hier ein paar Beispiele:
Ein talentierter Gitarrist (mit einem musikalischem Gehör) kann bereits als Anfänger mit anderen
Musikern spielen/jammen. Oder er kann bereits nach ein paar Wochen Melodien von Songs, die er am
Radio hört, einigermassen nachspielen usw.
In der ersten Phase geniesst er diese Super-Fähigkeiten, er wird wahrscheinlich gelobt, ist stolz auf sich,
vergleicht sich mit Anderen (die länger üben mussten, um soviel zu erreichen)… und ist bald zufrieden
mit dem aktuellen eigenen Können.
Danach folgt die Phase, in der er mit wenig Aufwand leider auch nur wenig besser wird. Die
Fortschrittskurve wird immer flacher, er macht kaum noch Fortschritte, er ignoriert das Problem, macht
weiter und geniesst es noch so gut wie möglich.
Bis er merkt, dass die Anderen (die weniger talentierten) „aufholen“! Das endet dann nach
gewisser Zeit in einer Frustration: Er war doch das Wunderkind, der Gitarren Hero… und jetzt spielt er
ungefähr in derselben Liga wie die Anderen, fällt nicht mehr auf, wird nicht mehr besonders gelobt…
Hier kommt dann der Punkt, an dem sich entscheidet, wie es mit ihm weitergeht. Diese Entscheidung
findet oft nur unbewusst statt, da sich ein talentierter Gitarrist leider oft gar nicht bewusst ist, dass in
seinem Talent auch eine Gefahr liegt. Wenn er es merkt, dann ist nichts verloren. Wenn er es jedoch
nicht merkt oder verdrängt, dann kann sich das langfristig negativ auswirken.
Was geschieht denn mit talentierten, aber frustrierten Gitarristen?
Falls er merkt, wie er sich ändern muss
Mit der Erkenntnis, dass nun doch intensive Arbeit notwendig ist und der innere Schweinehund
überwunden werden muss, kann er sich weiter verbessern. Das ursprüngliche Talent wird ihm auch jetzt
noch helfen, gute und relativ schnelle Fortschritte zu machen. So steigt auch seine Motivation wieder :-)
Falls er jedoch nicht merkt, dass er seine Einstellung ändern sollte
Ohne die Erkenntnis, dass nun auch er intensiv arbeiten muss um weiterzukommen, wird er die Gitarre
mit grosser Wahrscheinlichkeit früher oder später frustriert an den Nagel hängen. Es macht ihm einfach
keinen Spass mehr, weil er nichts Besonderes mehr ist. Schade um das verschwendete Talent :-(
Falls Du also talentiert bist (gratuliere!), dann wünsche ich Dir die notwendige Einsicht, dass Du zu
Deinem Talent Sorge tragen und Dein Talent durch Arbeit (Üben, Lernen…) stetig weiterentwickeln
solltest. Damit Dir der Spass und auch der Erfolg beim Gitarrespielen nicht abhanden kommt :-)
Hier findest Du noch mehr Motivation…
Dan Keller schöpft aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung und vermittelt in der Artikelreihe Guitar School Of Music Workshops sein Wissen in den Bereichen Spieltechnik, Theorie, Improvisation, Komposition und Motivation/Lerntechnik. Er spielt seit über 30 Jahren Gitarre und kann auf eine bewegende Karriere als Live- und Studiomusiker, sowie als Gitarrenlehrer zurückblicken. Gitarrenunterricht gibt Dan Keller seit 1995. 2002 gründete er seine eigene Musikschule.
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