Andy Timmons gehört zu den versiertesten Rockgitarristen der Gegenwart. Der Amerikaner ist vor allem für seine ausgefeilte Technik und seinen markanten Tone bekannt. In den letzten Jahren war Timmons hauptsächlich auf seine Solokarriere fixiert und gilt im Genre der Instrumental-Virtuosen als einer der angesehendsten Gitarristen.
Stringworks: Dein Genre-Kollege Joe Satriani hatte zuletzt die Seiten gewechselt und wurde Mitglied der Band Chickenfoot. Wie sieht`s bei dir aus, hast du irgendwelche Pläne für ein Bandprojekt?
Andy Timmons: Ich bekomme immer wieder Angebote um in Bands dabei zu sein. Bisher war jedoch nie das richtige dabei, wenn ich ehrlich bin.
[Überlegt kurz] Ich mag Vocal Music und ich würde sehr gerne Teil einer Band sein. Wichtig sind mir aber vor allem gut geschriebene Songs, ganz gleich ob das ein Instrumental oder ein Track mit Gesang ist. Ich höre eigentlich sehr wenig gitarrenlastige Instrumental Musik. Eher das Gegenteil spricht mich als Hörer an. Ich habe selbst auch schon Songs mit Gesang aufgenommen. Die Musik nehme ich wie sie kommt – ob mit oder ohne Gesangslinien.
Für Joe muss das eine tolle Sache sein, in einer solchen Band zu spielen. Es ermöglicht ihm auch vor grösserem Publikum aufzutreten, was super ist.
Normalerweise startet ein Songwriter mit dem Text oder der Melodie eines Songs und fügt anschliessend den fehlenden Teil hinzu. Wie sieht dieser Prozess bei dir aus?
Das kann auf unterschiedliche Art und Weise beginnen. Die wirklich guten Songs, die passieren einfach. Wie ich es beschreiben kann weiss ich nicht. Es ist manchmal wie eine Eingebung von irgendwo her, wenn du weisst was ich meine. Wenn man sich die Zeit nimmt um solche Momente zu zulassen, dann hat man hin und wieder Glück.
Manchmal fliegt mir beim üben auf der Gitarre eine Idee zu. Das kann eine Melodie oder auch nur eine Akkordfolge sein. Aber ich höre auch ständig Musik in meinem Kopf, selbst wenn ich kein Instrument in den Händen halte. Deshalb trage ich oft ein Diktiergerät mit mir rum, damit ich solche Momente festhalten kann.
Trifft das alles auch auf deine Soloparts zu?
Absolut! Obwohl ich manchmal auch gewisse Parts bewusst schreibe, denke ich, dass ähnlich wie beim Songwriting, das gleiche auch für`s Improvisieren gilt. Auch da passieren die besten Dinge mit einer gewissen Eingebung oder einem speziellen Live-Moment.
Letztendlich ist Songwriting pure Improvisation. Das Ohr führt dich zu dem was du hören möchtest. Du versuchst etwas zu finden, was dich fasziniert und deine Gefühle ausdrückt. Natürlich hofft man am Schluss, dass der Zuhörer ebenso Freude daran hat.
Wie sieht das während eines Livegigs aus: Spielst du einen Song, zum Beispiel „Cry For You“, Note für Note oder versuchst du auch zu improvisieren?
Dieser Song ist immer improvisiert – jede Nacht. Bei vielen Songs auf „Resolution“ hatte ich zuerst das Gerüst als Backingtrack geschrieben. Anschliessend habe ich an den passenden Stellen darüber improvisiert. Ich hatte mir alles angehört und die Stellen aus den Soli herausgepickt, die mir gefallen haben. Danach habe ich nochmals alles neu aufgenommen und so quasi echte Kompositionen erhalten. Diese Songs spiele ich auch live Note für Note, so, wie ich sie aufgenommen hatte.
Bei Songs wie „Cry For You” oder “Electric Gipsy” lasse ich mir hingegen immer Platz für Improvisation. Das Gefühl dabei ist ein komplett anderes. Ich mag beide Varianten.
Über drei Jahre ist es her seit du „Resolution“ auf den Markt gebracht hast. Dürfen wir uns bald auf einen Nachfolger freuen?
Ja, momentan arbeite ich an zwei unterschiedlichen Alben. Eines davon wird der Nachfolger zu Resolution. Wir haben für diese Platte bereits Material aufgenommen. In welche Richtung es am Ende geht weiss ich noch nicht. Resolution war eine klassische Trio-Produktion. Beim neuen Album lege ich mich da nicht fest. Je nach dem, was für einen Song nötig ist, kann ich mir auch vorstellen Overdubs oder noch mehr Instrumente einzusetzen.
Das andere Projekt ist etwas komplett anderes. Da geht es ausschliesslich um Coversongs. Und zwar versuche ich Klassiker, die Gesang enthalten, als Insrumentalversionen einzuspielen.
Das klingt interessant. Hast du dafür noch zusätzliche Musiker eingespannt?
Nein, zur Zeit noch nicht. Es gibt noch keine Zusagen bezüglich Kooperationen oder für Gastauftritte.
Resolution hast du später auch als Live-DVD herausgegeben. Ist es denkbar, dass du auch mal ein waschechtes Livealbum aufnimmst?
Möglicherweise schon, ja. Wir spielen immer mal wieder im Trio und Gespräche darüber gibt es. Die Sache ist die: Ich bin überkritisch was mein eigenes Spielen betrifft. So ist es für mich echt hart mir Live-Material anzuhören [lacht].
Hast du in naher Zukunft Tourpläne für Europa?
Nicht wirklich. Wir werden im März einige wenige Gigs in Italien spielen. Der Promoter hat auch Kontakte nach Deutschland, mal sehen, ob da noch etwas kommt.
Wie stehst du zu den Möglichkeiten die das Web für Musiker und Fans mit sich bringt?
Bisher waren für mich die Erfahrungen eher Segen als Fluch [lacht]. Momente wirken dann am besten, wenn dieser spezielle Moment, zu der Zeit, an diesem Ort, von jemandem erlebt werden darf. Durch das Internet lebt ein solcher Moment für immer weiter. Hmm, das lass` ich jetzt mal so stehen [lacht erneut].
Nein, aber ernsthaft. YouTube und all die Dinge, das sind die Radiostationen von heute. Auf diese Weise erhalten die Leute Zugang zur Musik von so vielen Künstlern und Bands, die sie ohne Web gar nie haben könnten. Um die eigene Musik bekannter zu machen ist das eine grossartige Möglichkeit.
Einige Musikerkollegen sehen das weitaus kritischer als du.
Das ist ein heisses Eisen. Immerhin sind so Werke von Künstlern kostenlos für jedermann verfügbar. Das ist ein Fakt, dass die Leute die Musik erhalten, wenn sie sie möchten. Ob das jetzt richtig oder falsch ist, darauf gehe ich jetzt nicht ein.
Ich habe glücklicherweise eine fantastische Fangemeinschaft und die Leute, die meine Musik mögen, unterstützen mich sehr. Sie kaufen meine CDs, kommen zu meinen Konzerten und ich versuche ihnen, so gut wie nur möglich, eine möglichst persönliche Antwort zu geben. Solange dies funktioniert kann ein Musiker weitermachen und auch davon leben.
Welche aufstrebenden Gitarristen faszinieren dich?
Oh, da fällt mir spontan Derek Trucks ein. Ein sehr gefühlvoller Musiker, der mit seiner Ausdrucksweise seinem Alter und seiner Erfahrung weit voraus ist. Ein anderer ist Joe Bonamassa. Sein Sound klingt sehr beeindruckend. Vielleicht könnte ich noch andere nennen, aber diese beiden sind für mich herausragend.
Vielen Dank für das nette Gespräch und deine Zeit Andy.
Sehr gerne, hat mich gefreut. Bis bald, vielleicht einmal in Europa.
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